Der Teufelskreis darf nicht zum Ritus werden
Muslim-Markt 1.11.2006 Die Förderer des „Zusammenpralls der
Kulturen“ haben inzwischen eigene durchschaubare Riten entwickelt, die
sich in immer kürzeren Abständen wiederholen und die Menschen
gegeneinander aufhetzen, wie im jüngsten Kopftuch-Fall deutlich wird.
Aber der Teufelskreis muss durchbrochen werden!
Der Ritus lässt sich sehr einfach zusammenfassen. Irgendwo in der
Republik findet sich immer eine Verantwortungsträgerin oder
Verantwortungsträger (ob bekannt oder weniger bekannt), die oder der
Muslime öffentlich dazu aufruft, sie sollten ihre Religiosität aufgeben.
Daraufhin finden sich immer irgendwelche Leute, die jene Person anonym
bedrohen bis hin zu Morddrohungen. Es spielt hierbei überhaupt keine
Rolle mehr, dass es unmöglich ist die Identität eines Anonymen
festzustellen, noch seine Religion! Die bedrohte Person wird dann
selbstverständlich unter vollem Einsatz der Medien geschützt und alle
Welt stellt sich völlig undifferenziert hinter sie in der Verteidigung
der Meinungsfreiheit, selbst wenn sie den größten Blödsinn geredet hat.
Muslimische Verbände distanzieren sich einmal mehr von jeglichen
Drohungen, obwohl es überhaupt keine öffentlich bekannten Muslime gibt,
die zu jenen Drohungen stehen würden. Und irgendwann verläuft das Ganze
im Sande! Die Initiatorin in ein weinig bekannter geworden, die Muslime
stehen einmal mehr dumm da in der öffentlichen Wahrnehmung, die von der
Medienhetze entsprechen „bedient“ wird, und die Sicherheitsbehörden
bekommen einmal mehr unnötige Zusatzarbeit aufgelastet. Und der nächste
Fall steht bestimmt vor der Tür!
Der aktuelle Fall passt hervorragend in das Schema! Eine bisher
völlig unbekannte Abgeordnete der Grünen namens Ekin Deligöz ruft
Muslimas dazu auf "Legt das Kopftuch ab!". Der Rest wurde oben
geschildert. Aber wollen wirklich alle Beteiligten, dass es immer und
immer und immer wieder so weiter geht? Soll dieser Ritus immer wieder
aufs Neue durchgespielt werden und Schaden für die gesamte Gesellschaft
bewirken?
Es könnte auch anders gehen! Dazu bedarf es aber Vernunft und ein
gewisses Maß weniger Islamhass, als es derzeit Verantwortungsträger und
insbesondere Journalisten mit sich tragen. Es gibt zahlreiche
Ansatzpunkt in jenem Ritus, mit dem man den Teufelskreis durchbrechen
könnte. Aber es wird nur dann gelingen, wenn wirklich der Wille dazu da
ist.
Da ist zunächst eine Politikerin, die praktizierende Muslimas dazu
auffordert, ihre Kleidung den Vorstellungen der Politikerin anzupassen!
Wohlgemerkt, es geht hier nicht darum, dass eine Politikerin der Meinung
ist, dass ihr das Kopftuch nicht gefällt! Sie fordert andere Menschen
öffentlich auf, ein Kleidungsstück, dass sie tragen, abzulegen! Stellen
wir uns vor, die gleich Politikerin hätte öffentlich dazu aufgerufen,
dass Frauen damit aufhören sollen, ihre Zungen und Lippen durchzupiercen,
weil ihr das (warum auch immer) nicht gefällt, oder sie hätte dazu
aufgerufen, die Haare nicht mehr grün und lila zu färben, weil sich das
beim Bewerbungsgespräch nicht gut macht. Der Aufschrei gegen solch eine
Spießerin, die sich noch dazu in unzulässiger Weise in das Privatleben
anderer einmischt, wäre ihr sicher! Oder stellen wir uns vor, sie hätte
dazu aufgerufen, dass alle Menschen „Freie Körperkultur“ betreiben
sollen, weil sie gegen „unfreie Körperkultur“ ist, dann wären selbst die
sonst so ruhigen Kirchen aufgestanden und hätten ihr eine unzulässige
Einmischung in das Leben anderer und Verachtung der Menschenwürde
vorgeworfen! Kurz und gut, der innere Protest der Gesellschaft wäre
derart deutlich, dass klar werden würde, dass die betroffenen und
angegriffenen Durchgepiercten oder lieber eine Badehose Tragenden nicht
außerhalb der Gesellschaft stehen! Jene Politikerin wäre fortan isoliert
und hätte kaum noch eine Chance aufzusteigen und potentielle Nachahmer
würden sich ein Beispiel nehmen.
Dieses Szenario scheint derzeit unmöglich, da der Islamhass derart
tief in den Köpfen der Freiheitsfanatiker verankert ist, dass sie sogar
bereit sind, die eigene Freiheit zu opfern, nur um Muslime angreifen zu
können. Der nächste Ansatzpunkt sind die Drohungen bis hin zu den
Morddrohungen. Sie sind ein Verbrechen, und würde man die Drohenden
erwischen können, müssten sie bestraft werden. Aber sie werden nur in
den seltensten Fällen erwischt! Nur, muss man das denn so öffentlich
aufbauschen? Muss die Öffentlichkeit davon erfahren? Sicher ist, dass
die Bedrohte ggf. geschützt werden muss! Aber muss die gesamte
Menschheit jeden Tag mehrfach erfahren, dass „Morddrohungen“ eingegangen
sind? Wem nützt das? Eigentlich erfüllt man mit jener
„Berichterstattung“ ausschließlich den Wunsch jener „Drohenden“ (völlig
unabhängig davon, ob es Verbrecher unter Muslimen sind oder Menschen,
die Muslimen Verbrechen zuschreiben wollen). Weder Muslime, noch
Nichtmuslime, noch die Sicherheitsbehörden haben irgendetwas von solch
einer Berichterstattung! Es schadet nur allen! Die Einzigen, die davon
profitieren, sind die Verbrecher (die man bedauerlicherweise nicht
erwischt) und die Betroffenen Politikerin, mit der man Mitleid
empfindet. Letztere könnte auf das Mitlid verzichten, wenn dadurch ihre
Sicherheit (und die Sicherheit späterer potentieller Drohopfer)
gewährleistet wird. Warum also sollen Journalisten und die gesamte
Medienlandschaft im Sinn der Verbrecher und nur zu deren Nutzen
Nachrichten verbreiten? Würden jene Meldungen irgendwann aufhören,
würden jene Verbrecher auch merken, dass es ihnen nicht gelingt, mit
ihren Verbrechen die Gesellschaft zu spalten. Aber dazu müssten
Journalisten ein Minimum an Verantwortung für die Gesellschaft
empfinden; doch ist das realistisch?
Der nächste Ansatzpunkt wären Muslime selbst. Die Reaktion der
Verbände ist so berechenbar wie ein schweizer Uhrenwerk: Empörung über
den unwürdigen Angriff auf die Muslimas, Empörung gegen die Bedrohung
der Meinungsfreiheit usw.. Aber müssen wir Muslime uns nicht selbst auch
etwas Originelleres einfallen lassen, was sowohl das Klima im Land als
auch das Ansehen der Muslime verbessern hilft? Reichen diese
ritusartigen Formen? Wie wäre es, wenn eine ganze Reihe von
kopftuchtragenden Glaubensschwestern mit Rosen (und Fernsehkameras) bei
jener Abgeordneten auftauchen, ihr die Rosen überreichen und sie
beglückwünschen dazu, dass sie sich für Integration einsetzt. Zwar wird
man die Frau kaum davon überzeugen können, von ihren unwürdigen
Anfeindungen Abstand zu nehmen, aber man könnte der Gesellschaft
signalisieren, dass man jenen Anfeindungsritus nicht mittragen will!
Eine Gruppe Schwestern könnte mit den neuen modernen
Hidschab-Badeanzügen gemeinsam irgendeinen Fluss überqueren (im Sommer)
um zu signalisieren, dass man bereit ist, Ufer zu verbinden, selbst wen
es keine Brücke gibt. Und wenn man hinreichend nachdenkt, werden einem
bestimmt noch originellere Dinge einfallen. Wichtig dabei ist, diesen
zum Ritus verkommenen Teufelsgreis zu durchbrechen.
Selbstverständlich könnten auch mutige Nichtmuslimas mithelfen. Warum
hat nicht ein einziges Mal eine Abgeordnete den Mut mit Kopftuch in den
Bundestag zu kommen, um zu signalisieren: Wir nehmen euch praktizierende
Muslimas an, ihr gehört dazu? Ein Petra Kelly hätte den Mut gehabt. Aber
es ist sicherlich kein Zufall, dass die jüngste Auseinandersetzung von
der Grünen Partei ausgeht, die inzwischen „glatter“ ist als jeder Aal du
mit dem Strom schwimmt, wo immer ein Strom ist!
Politiker, Journalisten, Muslimas, Nichtmuslimas, alle könnten etwas
dagegen tun, dass jener Teufelsgreis sich immer weiter dreht! Es bedarf
allerdings echten Mutes, nicht den Mut die Mehrheitsgesellschaft und die
Sicherheitsbehörden im Rücken zu haben und das aktuelle Feindbild
lautstark zu vertreten, sondern den Mut wirklich gegen den Strom zu
schwimmen! Deutschland wird sich an das Kopftuch gewöhnen müssen. Es
liegt an uns allen, dafür zu sorgen, dass das Kopftuch ein integrierter
Teil der Gesellschaft wird. Es wäre ein Armutszeugnis für die
Gesellschaft, wenn sie zwar FKK „integrieren“ kann, nicht aber in der
Lage ist, das Kopftuch zu integrieren. Kopftuchtragende Frauen sind
überwiegend die Erzieher (auch) der deutschen Kinder und der Zukunft
dieses Landes. Jene Kinder spüren sehr genau, ob sie von einer Mutter
erzogen werden, die von der Gesellschaft angenommen wird oder von der
Gesellschaft unberechtigterweise abgelehnt wird. Das Bekenntnis zur
Freiheit des Kopftuch ist auch ein Bekenntnis zur Zukunft dieses Landes!
Von Muslime wird das Bekenntnis zum Grundgesetz eingefordert! Was
aber ist das für ein Grundgesetz, bei dem eine praktizierende Muslima
nicht einmal die Würde und Freiheit haben darf, ihre eigene Kleidung zu
bestimmen, und jeglicher Angriff gegen jene Kleidung als Freiheit
verkauft wird? Praktizierende Muslimas mit Kopftuch sind ein Teil
Deutschlands, ob es allen passt oder nicht! Sie sind ein Teil
Deutschlands wie praktizierende Jüdinnen. Auch Jüdinnen müssen aus
religiösen Gründen ihr Haupthaar vor Fremden bedecken. Der einzige
Grund, warum das nicht so sehr auffällt, liegt darin begründet, dass ein
Rabbiner den Jüdinnen erlaubt hat als Alternative zum Kopftuch eine
Perücke zu tragen, um den Anfeindungen zu entgehen, die manche
Politikerinnen gegen das Kopftuch hegen! Hätte Frau Deligöz alle
praktizierenden Jüdinnen dazu aufgerufen ihre Perücke abzusetzen, hätte
sie ihr Parteibuch zurückgeben können und wäre eine von den Medien
verachtete Person geworden!
Sicherlich können Muslime und Muslimas versuchen, ihren Teil dazu
beizutragen, dass der Kulturkampfritus abgeschwächt wird. Aber Politiker
und Journalisten mit einen Verantwortungsgefühl für die eigene
Gesellschaft (falls es letztere gibt) können nicht immer nur mit den
Zeigefinger auf Muslime und Muslimas zeigen! Irgendwann einmal muss auch
einer von ihnen den Mut aufbringen, für die eigene so lautstark
propagierte Freiheit einzutreten, auch für die Freiheit, ein Kopftuch
tragen zu dürfen, ohne von Politikern dafür öffentlich gescholten zu
werden.
Mit herzlichen Grüßen von
Ihrem Muslim-Markt-Team