Im Namen des Erhabenen  
  Interview mit Kai Ibrahim Kruse
 

Muslim-Markt interviewt 
Kai Ibrahim Kruse - Muslim bei der Bundeswehr

13.12.2005

Kai Kruse wurde 1962 in Brake (Unterweser) geboren . Nach seiner Schulausbildung machte er eine Lehre zum Maler und Lackierer. Währenddessen trat Kruse zum Islam über und nahm den Namenszusatz "Ibrahim" an. Im Anschluss an seine Lehre meldete er sich freiwillig zur Bundeswehr.

Bereits vor seinem Wehrdienst trat Kruse zum Verband der deutschen Bundeswehr e.V. bei. Während seiner Zeit im Verband der Reservisten nahm er an mehreren Schulungen und Ausbildungen teil, u.a. Funkausbildung und Gefechtsdienst. Später nahm er noch an einem Unteroffizierslehrgang teil und ist heute Unteroffizier a.D..

Herr Kruse ist verheiratet, hat drei Kinder, lebt in Brake und arbeitet im Sicherheitsdienst.

MM: Sehr geehrter Herr Kruse, bevor wir zum Thema Bundeswehr kommen, geben Sie uns bitte eine kurze Zusammenfassung zu Ihren damaligen Motiven, den Islam anzunehmen.

Kruse: Schon immer suchte ich einen Weg zu Gott. Ich habe mich damals mit mehreren Religionen beschäftigt; Judentum, Christentum, Buddhismus und Islam. Im Islam fand ich die Antworten und meine Fragen und im Islam fand ich das Licht Gottes. Da ich auf dem Papier Christ war, und da das Christentum mir keine hinreichenden Antworten gegeben konnte, und im Islam mein Glück fand, trat ich als 21-jähriger zum Islam über. Damals gab es vorwiegend türkischstämmige Muslime in unserer Gegend, die mich in ihre Gemeinde herzlich aufnahmen. Seither versuche ich den Islam in mir weiter zu entwickeln.

MM: Kurz nachdem Sie den Islam angenommen haben, sind Sie zur Bundeswehr gekommen. Gab es da keine Probleme?

Kruse: Meine Vorgesetzten und Kameraden wussten zur damaligen Zeit (1984) nicht sehr viel über den Islam bzw. konnten damit kaum etwas anfangen. Als ich in die Kaserne einzog, ging ich sofort zum meinem Kompaniechef und gab an, dass ich deutscher Muslim bin und bestimmte Regeln im Islam auch während meines Dienstzeit einhalten muss, wie z.B. das rituelle Gebet und der Verzicht auf Fleisch. Der Hauptmann war erstaunt, und so wurde ich, wie mir später berichtet wurde, der erste deutsche Muslime im jenem Panzergrenadierbataillon. Die erste Woche war für mich als Muslim schwer. Doch als meine Kameraden und Vorgesetzen sahen, dass ich dem Islam treu ergeben bin, fanden sie sich damit ab und akzeptierten mich vollständig. Kurze Zeit später meldete der Hauptmann mir, dass ich ein Extra-Essen aus der Kantine erhalten werde. In der Grundausbildung fand ich gute Kameraden und hatte keine Probleme.

MM: Wie war es z.B. mit den rituellen Gebet?

Kruse: Während einer Gefechtsübung im Feld besuchte uns der Kommandeur des Bataillons. Bei diesem Besuch sah er, dass ich gerade mein Gebet verrichtete, und nach dem Gebet sprach er mich an. Ich meldete dem Kommandeur, dass ich deutscher Muslime bin und gerade mein Gebet verrichtet habe. Daraufhin nahm er mich zur Seite und stellte mir viele Fragen, da er nicht wusste, dass es deutsche Muslime gibt. Ich erklärte ihm die Angelegenheit und er verstand es und bat mich, die Gebete in die Freizeit zu verlegen. Daraufhin antwortete ich, dass es mir völlig unmöglich ist, da ich nicht nur vor der Fahne geschworen habe, meinen Dienst zu verrichten, sondern vor allem vor Gott. Nach einigem hin und her, erlaubte er es mir, und gab den Befehl, dass ich auch während der Übungen zur Gebetszeit zügig mein Gebet verrichten darf und dabei nicht gestört werden soll.

MM: Wie war es denn nach der Grundausbildung, und gab es z.B. nicht die typischen Probleme mit Alkohol bei Soldaten?

Kruse: Nach meiner Grundausbildung kam zu einem Raketenartilleriebataillon. In dieser Einheit waren wir ein Wachzug. Und in diesem Wachzug war es strengstens verboten Alkohol zu sich zu nehmen, so dass es mir als deutscher Muslim - Gott sei Dank - nur zugute kam. Die Kameraden im Dienst waren zumeist die selben, wie diejenigen in der Grundausbildung, so dass sie mich ohnehin kannten. Meinen neuen Vorgesetzten meldete ich unverzüglich, dass ich deutscher Muslim bin. Und selbst in dieser neuen Einheit, hatte ich als deutscher Muslime keine Probleme.

MM: Und wie war es z.B. mit dem gemeinsamen Duschen?

Kruse: Da sich meine Kameraden immer mehr über den Islam bei mir informiert hatten, wussten sie, dass ein Muslim nicht in der Gruppe nackt duschen darf. Daraufhin habe ich immer zuallerletzt geduscht, nachdem die anderen die Duschen verlassen hatten, und alle haben das problemlos akzeptiert. Auch in der neuen Einheit bekam ich gesondertes Essen. Kurz vor Ende meines Wehrdienstes konnte ich meinen Kameraden einiges Positive erzählen, so dass sie auch Informationen über den Islam von mir annahmen.

MM: Wie war ihre Beziehung zur Bundeswehr nach ihrem Dienst?

Kruse: Nach meinem Wehrdienst war ich weiterhin aktiv im Verband der Reservisten tätig. Ich nahm an mehreren Lehrgängen und Übungen teil. Dabei führte ich zahlreiche Gespräche mit meinen Kameraden unter den Reservisten über den Islam. Einige Leute haben dann den Islam mit ganz anderen Augen sehen können.

MM: Zu ihrer Zeit wurde Deutschland an den hiesigen Grenzen geschützt. Heute sprechen einige davon, Deutschland am Hindukusch zu verteidigen, würden Sie auch in Afghanistan dienen?

Kruse: Das kann nicht so einfach beantwortet werden. Einerseits würde ich mich schon sehr gerne dafür einsetzen, meinen Glaubensbrüdern in Afghanistan beim Aufbau ihres Landes ohne Waffengewalt zu unterstützen. Andererseits, militärisch gesehen sage ich klipp und klar: "nein", weil wir als Deutsche mit Waffen dort nichts zu suchen haben.

MM: Ihre Erfahrungen gründen auf der Tatsache, dass Sie selbst deutschstämmig sind. Glauben Sie, dass ein nicht deutschstämmiger Staatsbürger ähnlich gute Erfahrungen in der heutigen Bundeswehr machen könnte?

Kruse: Auch das kann ich nicht eindeutig beantworten. Es dürfte sehr stark von der Einheit, den Kommandeuren und den Kameraden abhängen. In jedem Fall empfehle ich jungen Muslimen, die zur Bundeswehr gehen, sich von Anfang an als Muslim zu erkennen zu geben, damit gar keine Missverständnisse aufkommen.

MM: Abschließende Frage: Sie selbst haben zwei Söhne. Möchten Sie, dass die beiden zur Bundeswehr gehen?

Kruse: Sollte es die Bundeswehr bis dahin noch geben - mein Ältester Sohn ist 13 Jahre alt - so würde ich das unterstützen.

MM: Herr Kruse, wir danken für das Interview.

 

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