Im Namen des Erhabenen  
  Interview mit S. Türkyilmaz
 

Muslim-Markt interviewt
Hudschat-ul-Islam wal-Muslimin Sabahattin Türkyilmaz - Islamischer Geistlicher in Deutschland
10.1.2010

Hudschat-ul-Islam wal-Muslimin Sabahattin Türkyilmaz ist 1966 in einem kleinen Dorf in Igdir im Osten der Türkei geboren. Die Grundschule hat er in Istanbul und Mittelschule (vergleichbar Orientierungsstufe) hat er in Izmir besucht. Damals lebten seine Eltern in Stuttgart, da sein Vater 1972 als Arbeiter nach Deutschland gekommen war.

In 1980 ist Sabahattin Türkyilmaz nach Deutschland zu seinen Eltern gereist aber zunächst nur zwei Jahre geblieben. 1982 reiste er in die islamische Republik Iran, um an der Theologischen Hochschule in Qum Islam zu studieren. In seinem acht Jahre andauernden Studium lernte er neben den Grundlagenfächern zunächst die Sprache Arabisch und Persisch (Türkyilmaz spricht zudem Türkisch und Deutsch) und vertiefte sich dann in den Fächern Logik, Philosophie, Grundlagen der Rechtwissenschaft, Theologie der Rechtwissenschaft, Islamische Offenbarung, Rechtwissenschaftliche Grundsätze. In den letzten zwei Jahren erhielt er Unterricht in der Auslegung des Heiligen Qur'an von  Ayatullah Dschawadi Amoli. Nach abgeschlossener Ausbildung kehrte er 1990 in die Türkei zurück und gründete dort zusammen mit Freunden den Verlag und das Forschungszentrum mit dem Namen Kevser.

In 1993 wurde er von Anhängern der Rechtsschule der Ahl-ul-Bait in Berlin gebeten, ihre Gemeinde zu leiten. Mit Hilfe der Gemeinde wurde die Imam Riza (a.s) Moschee gegründet. Mit der Zeit und aufgrund der Größe der Stadt Berlin entwickelten sich auch in anderen Stadtteilen an der Rechtsschule der Ahl-ul-Bait orientierte Gemeinden, die sich im Rat der Islamischen Schiitischen Gemeinden in Berlin/ Brandenburg zusammen schlossen und Hudschat-ul-Islam wal-Muslimin Türkyilmaz zu ihrem ersten Vorsitzenden wählten. Daneben ist er auch Generalsekretär des Türkischen Ahlul Bait Ulama Rates in Europa. Derzeit arbeitet er in Frankfurt an der Entwicklung der Hz. Fatima (s.a) Moschee.

Hudschat-ul-Islam wal Muslimin Sabahattin Türkyilmaz ist verheiratet, hat zwei Töchter und zwei Söhne und lebt in Frankfurt und Berlin.

MM: Sehr geehrter Hudschat-ul-Islam wal Muslimin Türkyilmaz, bitte erzählen Sie unsren Lesern etwas über die Ausbildung von islamischen Geistlichen an der Theologischen Hochschule in Qum (Iran), was sind dort neben den islamischen Grundlagen die wesentlichen Lehrinhalte bezogen auf die heutige Zeit?

Türkyilmaz: Um die Frage differenzierter zu betrachten, möchte ich die Antwort aufteilen in die Zeit vor und nach der Islamischen Revolution. Die Aufgaben einer Theologischen Hochschule (Hauza) bestehen seit ihrer Gründung ganz allgemein darin, die Bedürfnisse nach islamischer Rechtleitung in erfassbare Regeln umzusetzen und die damit zusammenhängen Forschung und Lehre zu gewährleisten. Dabei muss die Hochschule eine Bandbreite an Ausbildung leisten, die vom einfachen Leiter einer Moschee bis hin zum Vorbild der Nachahmung (Mardscha-u-taqlid) reicht, also von einer Grundausbildung bis hin zu den höchsten Stufen der islamischen Lehre, welche auch die schwierigsten Fragen der Zeit und Gesellschaft beantworten kann. In diesem Rahmen werden die Lehren des Islam des Heiligen Qur'an, des Vorbildes des Propheten (Sunna), den Vorbildcharakter der Ahl-ul-Bait sowie vergleichbare Aspekte geschützt, erforscht und gelehrt, sowohl in ihren Auswirkungen auf das individuelle Leben als auch auf die Gesellschaft.

Vor der Islamischen Revolution wurde größerer Wert auf den Aspekt des individuellen Lebens gelegt und die hieran gekoppelten Fragestellungen ausführlich behandelt, wie beispielsweise Gottesdienst, Moral, Auslegung des Heiligen Qur'an, Überlieferungen, Geschichte usw.. Nach der Islamischen Revolution wurden den Fragestellungen der Gemeinschaft, den gesellschaftlichen Belangen eine ebenfalls große Bedeutung beigemessen, denn die entsprechenden Fragestellungen standen auf der Tagesordnung und suchten nach Antworten. Daher ist es sicherlich angebracht darauf hinzuweisen, dass die Islamische Revolution im Iran auch eine Revolution in der selbständigen Rechtsfindung (idschtihad) von geeigneten Gelehrten und im islamischen Rechtswesen zur Folge hatte. Da meine Lehre an der Theologischen Hochschule nach der Islamischen Revolution erfolgte, haben meinesgleichen neben den traditionellen Lehren auch Unterrichtseinheiten wie Wirtschaftswesen, Politikwissenschaften (darunter Staatswesen und Staatsführung, internationale Beziehungen), Sozialwissenschaften und darunter Soziologie, Psychologie sowie den umfangreichen Bereich der Juristik studiert. Derzeit werden zahlreiche dieser Fächer noch weiter unterteilt und in Bereiche der allgemeinen Lehre und der tiefer gehenden Lehre für die selbständige Rechtfindung (idschtihad) entwickelt. In breichen wie der politischen Rechtssprechung, der Jura, Exegese bzw. Auslegungslehre, Überlieferungswissenschaften, Geschichte und einigen anderen Bereichen ist es inzwischen auch möglich zu promovieren und einen universitätskompatiblen Doktorgrad zu erlangen.

MM: Nach Ihrem Studium sind sie in die Türkei gegangen und haben den derzeit bekanntesten türkischen Verlag mit Ahl-ul-Bait Literatur mit aufgebaut. Was führte dazu, dass Sie nach Deutschland gekommen sind?

Türkyilmaz: Wie Sie wissen, hat jede Region ihre eigenen Bedingungen und Bedürfnisse. Die Bedürfnisse der Muslime in der Türkei sind mit denen der Muslime in Deutschland nicht identisch. Sie haben unterschiedliche Kulturen und daher auch unterschiedliche Bedürfnisse. In der Türkei gibt es genug Gelehrte und Moscheen, die den Muslimen dort für religiöse, moralische, kulturelle und gesellschaftliche Fragen zur Verfügung stehen.

In Europa jedoch war dieser Bedarf an Gelehrten noch vorhanden. Dass ich davor schon in Deutschland gelebt habe und die Sprache und die Kultur Deutschlands einigermaßen kannte, war für einige Schiiten in Berlin ein Grund dafür, mich nach Deutschland einzuladen. Ich empfand es als eine religiöse Pflicht, die Einladung anzunehmen, da in Deutschland der Bedarf an islamischen Gelehrten bestand. Somit beschloss ich nach Deutschland zu kommen.

MM: In Deutschland haben Sie sowohl die Zeit vor als auch nach dem 11. September 2001 als aktiver und praktizierenden Muslim miterlebt. Was hat sich seither geändert?

Türkyilmaz: Erlauben Sie mir zuvor entschieden darauf hinzuweisen, dass ich, als jemand, der einer islamischen Rechtschule angehört, die die meisten Schäden des Terrors hinnehmen musste und die meisten Opfer gebracht hat, jede Art von Terror entschieden ablehne. Terrorismus hat keine Religion und es gibt keine gerechtfertigte Grundlage dafür.

Die Ereignisse des 11. Septembers 2001 haben eine Reihe von sinnvollen aber auch negativen Erscheinungen mit sich gebracht. Vor dem 11. September lebten viele Muslime innerhalb in sich geschlossener Gesellschaften, die sich nur mit sich selbst beschäftigten. Als die sie umgebende Gesellschaft sich ihnen zuwandte, waren sie zumeist nicht in der Lage, den Islam vernünftig bzw. hinreichend zu vertreten. Der notwendige Dialog zwischen Muslimen in einer nichtmuslimischen Gesellschaft und der Religion der Mehrheitsgesellschaft entsprach nicht dem notwendigen Bedürfnissen und hatte nicht das notwendige Niveau. So hatten die westlichen Gesellschaften wenig Gelegenheit eine Nähe zum Islam und zu Muslimen aufzubauen. Enge Beziehungen waren eher selten.

Der 11. September kann als Wendepunkt bezeichnet werden. Die Tatsache, dass die westlichen Medien Muslime als Verantwortliche für jene Ereignisse beschuldigten, führte dazu, dass jeder Muslim als potentieller Terrorist und der Islam als eine Religion des Terrors betrachtet und diese Betrachtungsweise verbreitet wurde. Von nun an betrachteten Nichtmuslime die Muslime zumeist vorurteilsbehaftet. Die Vorgehensweise der Medien und das Verhalten der Politiker brachten die Muslime in eine äußerst schwierige Lage. Muslime wurden dazu gedrängt nachzuweisen, dass sie keine Terroristen sind und gleichzeitig mussten sie sich für die freie Religionsausübung einsetzen, die nicht mehr selbstverständlich war, um ihr Religionsleben praktizieren zu können. Das aber stieß auf teil unüberwindliche Hindernisse, denn die Muslime verfügen weder über die Mediengewalt noch über andere hinreichende Methoden, um die Menschen zu erreichen. Daher entstand hier eine neue sehr bedeutsame Aufgabe für die Muslime. Muslime stehen vor der Verpflichtung, die religiösen gesellschaftlichen Gebote der Mehrheitsgesellschaft vorzustellen und deutlich zu machen, dass der Islam die Religion der Gerechtigkeit ist. Wir müssen aufzeigen, dass der Islam die weltumspannenden und von allen mitgetragenen Werte wie Frieden, Geschwisterlichkeit, Nächstenliebe und Gerechtigkeit vertritt. Und diese Information über den Islam muss nicht nur die Mehrheitsgesellschaft erreichen, sondern auch die dritte und vierte Generation der eingewanderten Muslime, die zumeist besser deutsch sprechen. So hat der 11. September zwar die großen Defizite innerhalb der muslimischen Gemeinden offen gelegt aber gleichzeitig die wundervolle Gelegenheit geschaffen, diese Defizite zu korrigieren und das wahre Gesicht des Islam vorzustellen. Es bestand die großartige Gelegenheit und auch Notwendigkeit, darzustellen, dass der Islam eben nicht eine Religion des Terrors ist. Gleichzeitig erhielten die westlichen Gesellschaften eine vorher nicht dagewesene Gelegenheit, sich mit dem Islam zu beschäftigen und den wahren Islam - trotz widriger Umstände bei der Informationsbeschaffung - kennen zu lernen. Während die anfänglichen Umstände nach dem 11. September dazu geneigt waren, die westlichen Gesellschaften vom Islam zu entfernen, ist inzwischen das Gegenteil eingetreten und immer mehr Menschen, beschäftigen sich in sehr konstruktiver Weise mit dem Islam in einem Maß, wie wie es vorher nicht beobachten konnten.

MM: Viele deutsche Mitbürger, die aber immer noch wenig Ahnung vom Islam haben, denken dass Dinge wie Zwangsheirat und so genannte Ehrenmorde mit dem Islam zu tun hätten. Werden Sie darauf angesprochen, und was antworten Sie?

Türkyilmaz: Leider sind jene Themen nicht allein auf die Ahnungslosigkeit der nichtmuslimischen deutschen Bevölkerung anzulasten. Auch viele Muslime haben diesbezüglich noch Informationsdefizite.

Was die Zwangsverheiratung angeht ist darauf hinzuweisen, dass sie mit dem Islam nicht vereinbar ist. Im Islam ist die Eheschließung die Grundlage zur Gründung eines geheiligsten Hauses einer geheiligten Familie. Die Ehe ist eine der bedeutsamsten Faktoren für eine Gesellschaftsordnung. Gesunde Eheschließungen und Familien sind die Grundlage einer gesunden Gesellschaft. Die Ehe selbst ist auf Freundschaft und Liebe aufgebaut, sie wird also dann umgesetzt, wenn es Anziehungskraft und Liebe zwischen Mann und Frau gibt. Falls es zwischen beiden keine Freundschaft, Anziehungskraft und Seelenverbindung gibt, wäre solch eine Ehe nicht die Ehe, die der Islam anstrebt. Selbst wenn jene Aspekte nur von einer Seite existieren würden, nicht aber von der anderen Seite erwidert werden würden, könnte sich keine gesunde und richtige Ehe entwickeln, da der größte Wert Liebe nicht beidseitig entstehen kann. Daher ist die Zwangsverheiratung aus Sicht des Islam nicht akzeptabel und zudem ohnehin ohne mittelfristigen Bestand. Die Zwangsverheiratung ist eine kulturelle Missentwicklung und hat mit dem Islam nichts zu tun!

MM: ... und wie ist es mit den so genannte Ehrenmorden?

Türkyilmaz: Was die sogenannten Ehrenmorde angeht, so lässt sich zusammengefasst Folgendes feststellen: Die Würde des Menschen ist eine der bedeutsamsten Angelegenheiten des Islam sowohl für das Individuum als auch für die Gesellschaft. Aber die Entwürdigung bzw. Ehrverletzung ist eine Fragestellung der Gesellschaft, für die auch nur das Gemeinwesen, also der Staat, die Verantwortung trägt und das alleinige Sanktionsrecht hat. Es gibt keinerlei individuelles Recht, das Gesetz in die eigene Hand zu nehmen! Sollte die islamische Vorstellung diesbezüglich im Widerspruch zu der gesellschaftlichen Konsensregelung stehen, so ändert das nichts an der Tatsache, dass es kein individuelles oder persönliches Recht zur Selbstjustiz gibt. Das ist ein sehr entscheidender Aspekt. Wenn es unterschiedliche Vorstellungen bezüglich Ehre und Würde und deren Verteidigung zwischen dem Individuum und der gesellschaftlichen Ordnung gibt, hat sich das Individuum der gesellschaftlichen Ordnung unterzuordnen und sein persönliches Recht Allah zu überlassen. Daher hat niemand das Recht, seine Vorstellung von Recht selbst umzusetzen. Selbst wenn das islamische Recht diesbezüglich von der allgemein gültigen Regelung abweichen sollte hat niemand das Recht von sich aus tätig zu werden! Auch in einem islamischen System wäre die Fragestellung eine Angelegenheit des Islamischen Staates, bei der niemand jegliches Recht zur Selbstjustiz hat. Es wäre eine Angelegenheit der Gerichtsbarkeit, nicht des Individuums. Ein Ehrenmord hat daher im Islam keinerlei Rechtfertigung! Auch in einem islamischen System wäre der sogenannte Ehrenmord ein Verbrechen und daher strafwürdig!

Die sogenannten Ehrenmorde haben ihre Ursache im geringen Bildungsstand und der Ignoranz, die in manchen von Muslimen geprägten Kulturen leider immer noch vorherrscht. Hierbei ist auch zu beachten, dass zuweilen auch andere Motive für Mord mit einer angeblichen Ehre missbräuchlich begründet werden. Zusammenfassend ist festzustellen, dass weder die Zwangsverheiratung noch die so genannten Ehrenmorde mit dem Islam gerechtfertigt werden können.

MM: Zweifelsohne ist das Verhältnis von Muslimen und Nichtmuslimen in Deutschland in den letzten Jahren vergiftet worden. Was können praktizierende Muslime dazu beitragen, dass eine "Entgiftung" stattfindet?

Türkyilmaz: Wie ich es bereits zuvor festgestellt habe, tragen Muslime diesbezüglich eine sehr große Verantwortung. Muslime sind verpflichtet den Islam aus den sichersten Quellen in der geeignetesten Weise vorzustellen und auch vorzuleben. Anders werden sei keinen hinreichenden Beitrag zu der "Entgiftung" beitragen können. Daher möchte ich diesbezüglich einige Aspekte auflisten:

1. Der Islam muss von Aspekten des Bildungsstandstandes, nationalen Eigenheiten und die regionalen Kulturaspekten befreit werden. Viele Muslime haben den Islam in einer Mischung mit der eigenen Kultur, dem Brauch, den ortsüblichen Regeln und Bedürfnissen vermischt gelernt. Daher müssen wir den reinen Islam von diesen verfälschenden Aspekten befreien. Das wahre islamische Verständnis ist befreit von eigenen kulturellen Prägungen.

2. Deutsche Muslime und Muslime, die hier zur Welt gekommen sind - insbesondere die dritte Generation - sind von einer westlichen Kultur geprägt. Daher ist es nötig, ein Verständnis aufzubauen, um dieser kulturellen Prägung die Farbe des Islam zu geben, da der Islam eine universelle Religion ist. Der Islam steht über Zeit und Region, und daher ist es bedeutsam den universellen Aspekt des Islam in der Vordergrund zu stellen.

3. In der Beziehung von Muslimen und Nichtmuslimen müssen die Fragestellungen offen gelegt werden, die zu einer Vergiftung der zwischenmenschlichen Atmosphäre führen um darauf aufbauend auch die islamische Lösung für das Problem zu erkennen und vorzustellen.

4. Der Muslime muss neben der Lehre des Islam, des Heiligen Qur'an, der Verfahrensweise des Propheten (Sunna) und der Ahl-ul-Bait und weiteren entsprechenden Quellen seinen Verstand nutzen und diese Lehre in einer transparenten Art und Weise vorstellen.

5. Selbstverständlich müssen Muslime alles in ihrer Hand liegende tun, um einer vergifteten Beziehung entgegen zu wirken. Aber auch die Gegenseite muss ihre Verpflichtungen erfüllen und die "Entgiftung" der Beziehung zumindest anstreben.

6. Es ist stets zu beachten, dass in Deutschland diejenigen, die eine Vergiftung der Beziehungen zwischen Muslimen und Nichtmuslimen anstreben, ihre Bemühungen stets weiterführen werden. Sie werden ihre Bemühungen diesbezüglich sogar intensivieren. Es ist wichtig auch darauf zu achten.

MM: In Ihrem Vorlesungen legen Sie einen großen Wert auf die Erwartungshoffnung bezüglich des Erlösers. Warum glauben Sie, dass dieser Aspekt heutzutage eine so große Rolle spielt und gibt es hier Parallelen zwischen dem Christentum und dem Islam?

Türkyilmaz: Die Erwartungshoffnung ist Basis der Statthalterschaft des Imam Mahdi - möge er bald erscheinen - und damit Grundlage des Glaubens an den Erlöser Mahdi. Die Zeitepoche ist ganzheitlich zu betrachten. Die Zeitspanne von Anbeginn der Zeit bis zur Vollendung des Schöpfungsziels stellt eine Einheit dar. Nie gab es einen Leerraum zwischen den Propheten, die allesamt gekommen sind, um dem Menschen das Ziel des Lebens mitzuteilen, zu lehren und vorzuleben. Die Kettenglieder der Prophetenschule wurden vervollständigt und die Propheten haben das Voranschreiten zur Vollendung des Ziels sichergestellt. Dieses Sicherstellung ist die Denkschule der Statthalterschaft und des Imamat. Das erste Kettenglied dieser Denkschule ist die Schule von Ghadir Chum, als der Prophet (s.) vor Zehntausenden von Muslimen seinen Nachfolger Imam Ali (a.) unmissverständlich vorgestellt hat. Die Denkschule des Mahditums ist das System, welches den Erfolg dieser eingeschlagenen Zielsetzung vervollständigen und vollenden wird. Die Erwartungshoffnung ist das konstruktive Warten darauf, dass das Ziel der Schöpfung auch Erden vollendet wird. Zweifelsohne hat Allah, Der erhabene, einen Plan zur Vollendung des Schöpfungsziels, denn ohne solch ein Projekt wäre die Schöpfung sinnlos. Daher legen wir in unserer Epoche großen Wert auf die Lehre der Erwartungshoffnung, zumal die Notwendigkeit eines solchen Glaubenselements offensichtlich ist.

Wenn es um die Frage der Parallelen diesbezüglich zum Christentum geht, so ist festzustellen, dass es nicht nur Parallelen zum Christentum gibt, sondern zu allen Religionen und Denkschulen, die sich ein unfassendes Bild von der Zukunft des Daseins gemacht haben. Denn schließlich stellen sich alle Denkschulen die Frage nach der Zukunft des Daseins, wie die Zukunft aussehen wird und wer die Zukunft gestalten wird. Die Denkschulen mit göttlichem Ursprung weisen allesamt darauf hin, dass die Zukunft der Erde durch eine Person gestaltet wird, die Gerechtigkeit auf Erden etablieren und somit befreien wird. Jene Person kann mit unterschiedlichen Vorstellungen behaftet sein und unterschiedliche Namen tragen, aber allen ist die Erwartungshoffnung gemeinsam. Ich glaube dass insbesondere die Parallelen diesbezüglich zwischen dem Islam und den Christentum in einem breiteren Rahmen ausgearbeitet und betrachtet werden sollten. Das wird sicherlich aus dann geschehen, wenn sich Muslime selbst auch mit dem Mahditum intensiver beschäftigen.

MM: Wie könnte ein Einstieg zu einer Diskussion über die konstruktive Gestaltung der Zukunft aussehen?

Türkyilmaz: Über die Zukunft der Erde hat jede Ideologie ihre eigene Ansicht; Begriffe wie Endzeit, Eschatologie, Futurismus usw. und Thesen über die Endzeit und die Zukunft der Welt deuten daraufhin, dass die verschiedenen Ideologien darüber einig sind, dass die Zukunft der Welt sich von ihrer jetzigen Lage und der Vergangenheit unterscheiden wird. Jede Religion und Ideologie, ob göttlichen Ursprungs oder von Menschenhand entstanden, teilen die Meinung, dass die jetzige Lage der Welt nicht zufriedenstellend ist und Änderungen bedarf. Jede Ideologie entwickelt hierfür eigene Pläne und Programme. Sie sind bemüht die Welt der Zukunft zu gestalten und ihre eigene Ideologie zu etablieren. Um die Welt der Zukunft zu gestalten, muss man über die Hilfsmittel verfügen, die dafür notwendig sind. Was für eine Welt ist überhaupt gewünscht? Wie soll die Welt der Zukunft aussehen?

Folgende Fragen und Bedürfnisse müssen die Ideologien beantworten und abdecken können. Wirtschaft, Soziales, Recht, Sicherheit, Gleichberechtigung, Verhalten gegenüber anderen Glaubensrichtungen usw.. Alle Bereiche des individuellen und des kollektiven Miteinander müssen abgedeckt werden. Verfügen wir über die Lehren und Ideen um all diese Bereiche abdecken und befriedigen zu können? Um diese Fragen gerecht zu beantworten sind folgende Aspekte zu berücksichtigen: Das Ziel muss heilig sein; die ideologische Basis muss vorhanden sein; Gesetze, die absolut vollkommen sind für die Welt der Zukunft müssen vorhanden sein; ein gerechtes System muss entwickelt werden, welches die Gesetze ausführt. Dafür ist ein Oberhaupt notwendig, der gerecht und gelehrt und in der Lage ist, das System zu leiten. Die Strategie, um das System zu etablieren, muss wahrhaftig und gerecht sein. Die Menschen müssen es selber wünschen und daran glauben, es darf nicht per Gewalt aufgezwungen werden.

Es ist offensichtlich, dass menschliche Ideologien nicht über diese Möglichkeiten verfügen. In einigen der göttlichen Religionen wird dies als eine Theorie oder gar nur eine Phantasie empfunden. Bei anderen ist es nur als eine Theorie und These aber fern von Praxis und der Lebensgestaltung. Im einigen islamischen Rechtsschulen ist dies nur als eine leere Hoffnung in Vergessenheit geraten. Die schiitische Rechtsschule hingegen hat über die Zukunft der Welt einen entschlossenen Glauben, einen Plan und die stärkste These. Das Mahditum im Islam ist die einzige Ideologie und das einzige System, welches alle oben aufgeführten Fragen beantworten kann.

MM: Welche Projekte haben Sie für die nahe Zukunft geplant?

Türkyilmaz: Unsere zukünftigen Projekte können in folgenden Leitlinien zusammengefasst werden. Es ist von großer Bedeutung die Fragestellungen der Gesellschaft, in der wir uns befinden, anzugehen und Antworten zu erarbeiten und zu vermitteln, insbesondere für die Jungend. Die Faszination und Weisheiten des Islam wollen wir versuchen auf einem Weg der Vernunft und in wissenschaftlich angebrachter Art in der Sprache der Zeit der Gesellschaft zu erläutern, in der wir leben. In diesem Zusammenhang legen wir großen Wert auf die Behandlung des Mahditums aus den Blickwinkeln einer göttlichen und ganzheitlichen Sichtweise, sowie die Quellenforschung dazu im Heiligen Qur'an und deren Vermittlung in Lehrveranstaltungen und Seminaren. Dafür wird es ein erster Schritt sein, die ideologische und glaubensmäßige Basis zum Thema Mahdi aufzubauen, zu verfeinern und darzulegen.

MM: Hudschat-ul-Islam wal Muslimin Türkyilmaz, wir danken für das Interview.

Türkyilmaz: Möge Allah Ihren Aktivitäten Erfolg bescheren und ihren Einsatz auf dem Weg der Wahrheit lohnen.

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