Im Namen des Erhabenen  
  Interview mit Bernd Duschner
 

Muslim-Markt interviewt
Bernd Duschner - Vorsitzender des Vereins Freundschaft mit Valjevo
30.1.2014

Bernd Duschner wurde 1951 in Nabburg in der Oberpfalz geboren. Nach dem Abitur hat er Volkswirtschaft an der UNI Erlangen-Nürnberg studiert. Heute arbeitet er als Firmenkundenbetreuer für eine große Versicherungsgesellschaft. Unter dem Eindruck des Nato-Luftkrieges gegen Jugoslawien hat er 1999 mit Freunden den Verein "Freundschaft mit Valjevo e.V." gegründet, der sich jetzt auch für Hilfsbedürftige in Syrien engagiert.

Bernd Duschner ist verheiratet, Vater von drei erwachsenen Kindern und lebt in der oberbayerischen Kreisstadt Pfaffenhofen.
(Foto Bernd Duschner (rechts) mit einem Übersetzer an der syrischen Botschaft (links), veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung von B. Duschner)

MM: Sehr geehrter Herr Duschner, was will und macht Ihr Verein „Freundschaft mit Valjevo?

Duschner: Wir sind ein lokaler Verein in der oberbayerischen Kreisstadt Pfaffenhofen. Wir setzen uns für Frieden, Völkerverständigung und gegen Ausländerfeindlichkeit ein. Als in unserer Stadt im vergangenen Jahr beispielsweise gegen den Bau einer Moschee gehetzt wurde, haben wir öffentlich dagegen Stellung bezogen und eine gut besuchte Informationsveranstaltung mit der islamischen Theologin Rabeya Müller durchgeführt. Diese Arbeit verbinden wir mit humanitärer Hilfe für die Opfer von Militärinterventionen und Kriegen. Wir haben zahlreiche Hilfstransporte durchgeführt, mehrfach Kindern aus dem Irak eine Operation in bayerischen Krankenhäusern ermöglicht, ehemalige Zwangsarbeiter unterstützt. Ein Schwerpunkt unserer Arbeit ist die Hilfe für Flüchtlinge, die bei uns Asyl suchen und in unserer Region untergebracht sind.

MM: Wie kam es zur Gründung Ihres Vereins und diesem Engagement?

Duschner: 1999 bombardierten USA und Nato über mehrere Monate hinweg Jugoslawien. Obwohl unsere Verfassung und das Völkerrecht Angriffskriege ausdrücklich verbieten, beteiligte sich die deutsche Regierung an dieser Aggression. Es ging ihr um die Vormachtstellung auf dem Balkan.Große Teile der Industrie und Infrastruktur Jugoslawiens wurden zerstört.

Wir waren darüber entsetzt. Wir wollten nicht, dass Gewaltandrohung und Krieg wieder zu „normalen“ Mitteln deutscher Außenpolitik werden. Deshalb haben wir 1999 unseren Verein gegründet. Wir haben beharrlich gegen die Bombardierung Jugoslawiens protestiert und für die betroffenen Bevölkerung humanitäre Hilfe geleistet. Über mehrere Jahre hinweg brachten wir in die besonders stark bombardierte Stadt Valjevo Lebensmitteln, Medikamente, Krankenhausbetten und medizinische Geräte. Bis heute laden wir jedes Jahr im Sommer eine Schülergruppe aus Valjevo für eine Woche in unsere Stadt ein.

MM: Und wie kommt man von Valjevo nach Damaskus?

Duschner: Der Krieg gegen Jugoslawien war ein „Dammbruch“ für die Nato: Es folgte 2001 die Invasion und Besetzung Afghanistans, 2003 Irak und 2011 Libyen. Heute ist Syrien in Visier von USA und Nato, möglicherweise anschließend der Iran. Wir halten diese aggressive Politik der USA und Nato-Staaten für eine Gefahr für die ganze Menschheit. Sie muss dringend beendet werden. Unsere Medien behaupten, es ginge USA und Nato in Syrien um mehr Demokratie, Menschenrechte und bessere Lebensbedingungen für seine Bevölkerung. Ein Blick auf Saudi-Arabien und Katar, mit denen sich USA und Nato unter dem verlogenen Namen „Freunde Syriens“ zum Sturz der syrischen Regierung zusammengeschlossen haben, zeigt, dass dies nicht wahr ist. Diese beiden Staaten werden von mittelalterlichen Despoten geführt. Sie kennen im Gegensatz zu Syrien kein frei gewähltes Parlament, keine Verfassung, keine Versammlungsfreiheit, keine Frauenrechte, keine Toleranz gegenüber anderen Religionen. Besonders deutlich wird diese Lüge, wenn wir uns die Wirtschaftssanktionen ansehen, die USA, EU und die Bundesregierung seit 2011 gegen Syrien verhängt haben. Mit dieser „Bestrafung“ verfolgen diese „Freunde Syriens“ erklärtermaßen das Ziel, die Wirtschaft Syriens zum Erliegen zu bringen, Millionen Syrer arbeitslos zu machen und seine Bevölkerung auszuhungern. Die Konflikte zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen und religiösen Gemeinschaften sollen auf diese Weise verschärft werden. Die „Freunde Syriens“ wollen die Not der syrischen Bevölkerung so lange erhöhen, bis sie sich gegen die eigene Regierung erhebt und sie stürzt. Das so geschaffene Elend in Syrien soll es zudem Saudi-Arabien und Katar erleichtern, mit ihren Geldern Kämpfer gegen die syrische Regierung zu rekrutieren. Die Wahrheit ist: Auch in Syrien geht es USA und Nato-Staaten ausschließlich um eigene Interessen. Sie möchten das geostrategisch wichtige Syrien unter die eigene Kontrolle bekommen und den Zugriff auf seine Bodenschätze erhalten. Russland soll aus dem Mittelmeer vertrieben, der Iran geschwächt werden. Ihrer Bastion Israel soll es ermöglicht werden, sich auf Kosten der arabischen Völker weiter auszudehnen.

MM: Wie funktionieren diese Wirtschaftssanktionen?

Duschner: Syrien ist noch ein Entwicklungsland. Den größten Teil seiner Devisen verdient es durch den Verkauf von Rohöl an Deutschland und die EU. Um dem Land diese Einkommensmöglichkeit zu nehmen, wurde von EU und der Bundesregierung 2011 der Import von Rohöl aus Syrien verboten. Zugleich wurden die Konten des syrischen Staates und der syrischen Unternehmen „eingefroren“, so dass das Land nicht mehr über sein eigenes Geld verfügen kann. Syrien hat nur zwei eigene Raffinerien zur Verarbeitung von Rohöl. Es ist darauf angewiesen, Treibstoff und Heizöl einzukaufen. Für seine Stromerzeugung braucht es Maschinen und Ersatzteile aus den Industriestaaten. Ohne Treibstoff und Strom kommen Traktoren und die Bewässerungsanlagen in der Landwirtschaft, die Lebensmittelversorgung, Industrie, Handwerk, Handel und Transportwesen zum Erliegen. Genau aus diesem Grund haben EU und Bundesregierung wie auch die anderen „Freunde Syriens“ den Verkauf von Treibstoff und Heizöl, von Ausrüstungen und Technologie zur Förderung von Erdgas und Erdöl und für Kraftwerke zur Stromgewinnung an Syrien ausdrücklich verboten.

MM: Wie wirken sich diese Wirtschaftssanktionen aus?

Duschner: In einem Kommentar mit dem Titel „Wie hart treffen die Sanktionen Syrien“ hat die ARD bereits am 30.8.2011 (!) erläutert, welche Ziele die „Freunde Syriens“ einschließlich der Bundesregierung mit ihren Sanktionen verfolgen. Ich zitiere: „So treffen die Sanktionen zunächst kleine Leute. Syriens Handel mit Ländern der Region ist seit Beginn der Krise um 30 bis 40 Prozent gesunken. Ein zumindest zeitweiliger Stopp der bisher rund eineinhalb Milliarden Euro Einnahmen jährlich aus dem Öl lässt den Staat aber nicht unberührt. Er muss möglicherweise Leistungen für öffentlich Beschäftigte kürzen – immerhin 30 Prozent aller Syrer. Und ebenfalls 30 Prozent lebten bereits vor den Protesten unter der Armutsgrenze von weniger als zwei Dollar am Tag. Öl bleibt da neben Überweisungen von Auslands-Syrern die wichtigste Einnahme für ein zunehmend isoliertes Regime. Der kurzfristige Effekt von Sanktionen mag gering ausfallen. Langfristig könnten fehlende Einnahmen aus dem Verkauf der wichtigsten syrischen Ressource auch Menschen zum Protest treiben, die bislang loyal zum System Assad standen oder schwiegen – staatlich Beschäftigte und erfolgreiche Geschäftsleute.“

MM: Was bedeutet das für Syrien?

Duschner: Mittlerweile ist das Sozialprodukt Syriens um weit über 60 Prozent geschrumpft. Die Hälfte der Syrer sind arbeitslos, ihre Familien ohne Einkommen. Die Preise sind um über 200 Prozent gestiegen. Im Winter droht jetzt eine Hungerkatastrophe. Es fehlt an Medikamenten und medizinischen Geräten. Wegen des Mangels an Treibstoff und Strom, behandeln viele Krankenhäuser nur noch Notfälle. Bis zu 200.000 Menschen sollen seit Ausbruch der Kämpfe 2011 durch mangelhafte medizinische Versorgung gestorben sein. Syrische Wissenschaftler, Ärzte und Ingenieure, die noch genügend die finanziellen Mittel haben, fliehen ins Ausland. Syrien blutet aus. Die Sanktionen sind ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Sie sind ein besonders infames Instrument der Kriegsführung. Im Irak haben sie in den 90er Jahren nach UN-Angaben einer Million (!) Menschen das Leben gekostet. Es ist höchste Zeit, dass wir Druck auf die Parteien und Abgeordneten im Bundestag ausüben und fordern, die Sanktionen gegen Syrien bedingungslos aufzuheben. Das wäre ein entscheidender Schritt, die Leiden des syrischen Volkes zu beenden und ein wichtiger Beitrag für den Frieden. 

MM: Die einstmals sehr lautstarke Friedensbewegung in Deutschland ist trotz der deutschen Unterstützung für Angriffskriege mehr oder minder verstummt. Welche Ursachen hat das?

Duschner: In der Tat gibt es bis heute viel zu wenig Protest und Widerstand gegen die aggressive Politik der NATO. Ich sehe dafür vor allem folgende Gründe : Einige einflussreiche Vertreter der Friedensbewegung vertreten die überhebliche Auffassung, alle Völker und Staaten der Welt müssten die gesellschaftlichen und politische Ordnung Westeuropas übernehmen und dürften keine eigene Wege gehen. Sie werfen Syrien zudem autoritäre Strukturen vor, wollen aber nicht sehen, dass solche Strukturen auch eine Folge der ständigen Bedrohungen und Angriffe durch die USA und Israel sind. Demokratie und eine breite Mitwirkung der Bürger am politischen Leben erfordern Sicherheit und Frieden. Statt für eine Beendigung der aggressiven Politik gegen Syrien, für eine bedingungslose Rückgabe der Golanhöhen und Sicherheitsgarantien für das Land zu kämpfen, propagieren sie Seite an Seite von USA und NATO den politischen Umsturz in Damaskus. Sie lehnen die Militärinterventionen ab, aber nur, weil sie den Umsturz mit anderen Mittel erreichen möchten. Diese Leute lähmen die Friedensbewegung. Wer dagegen ehrlich für ein friedliches Zusammenleben ist, der muss das Selbstbestimmungsrecht anderer Völker respektieren und jede Form der Erpressung und Kriegsdrohung konsequent ablehnen und bekämpfen. Dabei wäre es möglich, eine Solidaritätsbewegung für das syrische Volk aufzubauen.

MM: .. und wie ..?

Duschner: Die breite Mehrheit unserer Bevölkerung ist unverändert entschieden gegen militärische Interventionen und Kriege. Ihr ist nur nicht bewusst, dass die Bundesregierung an der Seite der USA, der Kolonialmächte Großbritannien und Frankreich, der Türkei, von Saudi-Arabien und Katar versteckt Krieg gegen Syrien führt. Die „Freunde Syriens“ betreiben in ihrem Kampf gegen Syrien eine Art Arbeitsteilung: Während Länder wie Katar und Saudi-Arabien fanatisierte Aufständische und Söldner finanzieren, bewaffnen und nach Syrien einschleusen, konzentrieren sich Bundesregierung und EU auf die Wirtschaftssanktionen. Viele unserer Bürger würden gegen eine direkte Militärintervention auf die Straßen gehen. Ihnen ist noch nicht bewusst, dass die Sanktionen der Bundesregierung und der EU auf das Aushungern des syrischen Volkes zielen und eine mindestens genauso grausame Form der Kriegsführung darstellen. Wenn es uns gelingt, der deutschen Bevölkerung das zu erläutern, werden wir ihre Unterstützung bekommen. Eine bundesweite Unterschriftensammlung für die Aufhebung der Sanktionen wäre dafür ein gutes Mittel.

MM: Haben Sie ein aktuelles Projekt?

Duschner: Ja.. Aktuell sammeln wir Spenden, um einem 18 Monate alten Kind aus der syrischenStadt Almeida die notwendige Behandlung in Deutschland zu ermöglichen. Verwandte haben uns um Hilfe gebeten. Der Junge heißt Ayaz und leidet seit seiner Geburt an einem lebensbedrohenden Herzfehler, der Fallotschen Tetralogie. Er bekommt nicht genug Sauerstoff. Um sein Leben zu retten, muss Ayaz dringend operiert werden. Das ist heute wegen der Sanktionen und Kämpfe in Syrien nicht möglich. Wir haben in der ganzen Stadt Pfaffenhofen Plakate mit dem Spendenaufruf aufgestellt, in vielen unserer Kindergärten und Geschäften wird für das Kind gesammelt. Mittlerweile haben wir rund die Hälfte der benötigten 24.000 EUR zusammen, brauchen also noch Spenden. Wir wollen mit dieser humanitären Hilfe aber nicht nur diesem einen Kind und seiner Familie helfen, sondern auch ein Zeichen unserer Verbundenheit mit dem syrischen Volk und für den Frieden setzen. Gerade die Kinder leiden bekanntlich am meisten unter dem Krieg und den Auswirkungen der unmenschlichen Sanktionen. Diese Aktion ermöglicht es uns, mit vielen Bürgern über die Situation in Syrien ins Gespräch zu kommen und die Mitverantwortung der deutschen Regierung an dieser humanitären Katastrophe deutlich zu machen. Die Sanktionen müssen fallen, damit alle Kinder in Syrien wieder wieder die notwendige Versorgung erhalten können. Das wollen wir mit unserer Hilfe für Ayaz in der Öffentlichkeit deutlich machen. Euere Leser bitten wir, mitzuhelfen, damit wir Ayaz bald geholt und operiert werden kann. (Spendenkonto siehe www.Freundschaft mit Valjevo e.V. oder Freundschaft mit Valjevo 8011991, BLZ 721 516 50, Stichwort "Hilfe für Ayaz")

MM: Herr Duschner, wir danken für das Interview.

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