Lasst uns unsere Schuhe ausziehen
um den Hass zu besiegen!
(jetzt
auch als Buch)
Ein altes indisches Sprichwort besagt, dass man sein Gegenüber erst
dann verstehen kann, wenn man eine Weile in seinen Sandalen gelaufen ist.
In unterschiedlichen Variationen gibt es jenes Sprichwort in fast allen
Kulturen und ist inhaltlich Bestandteil moderner
Konfliktpräventionsstrategien. Nur, was nützt alle Theorie, wenn wir nicht
bereit sind zumindest für eine Weile die Schuhe des vermeintlichen
Feindes anzuziehen, um ihn besser zu verstehen?
New York, Madrid, jetzt London und morgen irgendeine andere Stadt mit
großer Symbolkraft in der westlichen Welt sind hier jedem Westler
bekannt. Aber weiß er auch, dass sein gegenüber an Deir Yassin, Balbek,
Choramschahr, Halabdscha, Falludscha, Abu Ghraib, Guantanamo und sehr
viele andere Orte mit noch viel größerer Symbolkraft denkt? Wahrscheinlich
kennt er einige der Orte nicht einmal.
Der Träger von Schuhen in der westlichen Welt macht den Islam als
Ganzes für die Terrorakte in seiner Welt verantwortlich. Die
Diplomatischen unter ihnen differenzieren zwar noch manchmal zwischen
einem Islamismus, dessen Definition niemand so genau kennt, und dem
Islam, aber eigentlich meinen sie doch jeden halbwegs sich zu seinem
Glauben bekennenden Muslim. Ist nicht der Islam eine kriegerische
Religion? Werden im Islam nicht die Frauen unterdrückt, kleine Mädchen
brutal beschnitten, Kinder mehr mit der Ohrfeige als mit dem Buch gelehrt?
Ist der Islam nicht der Inbegriff für Steinigung, Handabhacken,
Kopfabhacken, Hasspredigten und massiven Freiheitseinschränkungen? Sind
nicht Muslime die sozial und materiell rückschrittlichsten Menschen dieser
Welt? Die Liste der Vorwürfe ließe sich wohl unbegrenzt fortsetzen, und am
Ende landet man dann in der U-Bahn in London. Sind nicht die
Terroranschläge von London die unausweichliche Folge einer derart
abartigen und unmenschlichen Religion?
Aber London birgt für den Träger von westlichen Schuhen auch eine große
Chance. An kaum einem anderen Ort Europas gibt es so viele Moscheen, so
viele Muslime neben Nichtmuslimen und so viele Kulturen mit einer
gemeinsamen Sprache. An kaum einem anderen Ort Europas hat der Träger der
westlichen Schuhe eher die Gelegenheit, einmal in die Schuhe seines
muslimischen Gegenübers zu schlüpfen! Und plötzlich sieht die Welt ganz
anders aus, aber immer noch erschreckend wie vorher, nur mit anderen
Vorzeichen.
Der Träger von muslimischen Schuhen macht den Westen als Ganzen für
die Terrorakte in seiner Welt verantwortlich. Die Diplomatischen unter
ihnen differenzieren zwar noch zwischen echter und nur in der Theorie
existierender Demokratie und Freiheit (an dessen Existenz niemand
glaubt) und dem Westen, aber eigentlich meinen sie doch jeden sich
halbwegs zu Freiheit und Demokratie bekennenden Westler. Ist nicht
Demokratie und Freiheit eine kriegerische Ideologie? Werden im Westen
nicht die Frauen ausgebeutet, kleine Mädchen an Pornoringe verscherbelt,
Kinder mehr mit Sexismus als mit dem Buch gelehrt? Ist der Westen nicht
der Inbegriff für Abtreibung, Drogenkonsums, Raubtierkapitalismus,
Morallosigkeit und massiven Freiheitseinschränkungen für Muslime? Sind
nicht Westler die familiär und spirituell rückschrittlichsten Menschen
dieser Welt? Die Liste der Vorwürfe ließe sich wohl unbegrenzt fortsetzen,
und am Ende landet man dann in Falludscha. Sind nicht die Besatzung des
Irak und anderer Orte unausweichliche Folge einer derart abartigen und
unmenschlichen Ideologie? Auch in diesen Schuhen steuert alles auf eine
Konfrontation zu. Doch wenn man diese Schuhe schon einmal an hat, kann man
ja einmal tiefer nachfragen, wie ist es mit den Terroranschlägen in London
ist? Wie stehen die Muslime dazu?
Klar, inzwischen gibt es nicht eine halbwegs bekannt Organisation, die
sich nicht davon distanziert hätte, und das in aller Deutlichkeit! Fast
reflexartig hatten sich die meisten schon distanziert, noch bevor sie
dieses Mal dazu aufgefordert wurden. Aber gibt das wirklich die Gemütslage
wieder, welche die einfachen Träger dieser Schuhe hat? Sind nicht einige
Füße darunter, die sich insgeheim teilweise auch gefreut haben, das
endlich auch einmal die Engländer eins übergebraten bekommen haben? Wie
viele seiner Schwestern und Brüder, Mütter und Väter, Töchter und Söhne
sind schon Opfer britischer Imperialgelüste geworden, und wie viele
unzählige Familien leiden und trauern aufgrund britischen Terrors schon
seit Jahren? Ist es da nicht nur rechtens, wenn auch einige englische
Familien leiden? Klar, er wird das jetzt nicht sagen, weder in der
westlichen Welt, wo man ihn dafür verbal verprügeln würde, noch in der
islamischen Welt, wo ihn die großen Gelehrten aller Rechtsschulen
verdammen würden für so viel unislamisches Gedankengut (bis auf eine von
den USA geschützte und gestützte Richtung), aber sein Hass sitzt so tief,
dass er eine gewisse Schadenfreude zumindest sich selbst gegenüber nicht
verhehlen kann. Sollen doch die echten Gelehrten denken und predigen, was
sie wollen; Hass kennt keine Vernunft und folgt nicht der Rechtleitung.
Hass verdunkelt vor allem zuerst das eigene Herz.
Diese Schuhe sind nicht zu ertragen, ziehen wir sie schnell aus und
schlüpfen wieder in die westlichen Schuhe. Puh, jetzt sind wir wieder
frei! Diese hasserfüllten Leute haben es nicht besser verdient. Klar ist
es nicht gut, dass wir jetzt einige von ihnen besonders die Schwachen
in Westend verprügeln wollen, aber ein wenig Angst täte denen doch ganz
gut. Und sicher sind wir nicht dafür, dass arme Frauen und Kinder bei
Bombenangriffen getötet werden, aber haben die nicht irgendwie auch mit
dem Islam zu tun und muss man das nicht in Kauf nehmen im Kampf gegen den
Terror? Und sind nicht schließlich wir die Guten und sie die Bösen? Muss
man nicht unterscheiden zwischen dem versehentlichen Töten durch einen
Guten gegenüber dem absichtlichen Morden durch einen Bösen?
Und der Träger jener Schuhe, ob der einen oder der anderen Sorte, merkt
nicht, dass er nur ein kleiner unbedeutender Statist ist, der seine Rolle
allerdings meisterhaft spielt; ein Statist der großen Inszenierung namens
Clash of Cultures. Und Millionen von Statisten spielen das Spiel mit,
und es ist wie im richtigen Theater, der Statist bekommt einen Hungerlohn
und der Regisseur und der Drehbuchautor werden berühmt und kassieren das
Geld. Weder die Londoner Schuhträger noch diejenigen in Falludscha haben
etwas anderes bekommen, als den Hungerlohn der Angst. Und den tragen sie
mit sich, teilweise ein Leben lang. Er beherrscht ihr Denken und Handeln
und nährt den Hass in ihrem Herzen gegen diejenigen, die in ihren Augen
die Ursache für ihre Angst sind. Und die Angst versperrt den Blick auf die
eigentliche Inszenierung. Man kennt weder den Regisseur noch den
Drehbuchautor. Jener Einzelne weiß nicht, wer davon profitiert, dass er
Angst hat und hasst, und er merkt auch nicht, dass sein Gegenüber in der
gleichen Lage ist, und es interessiert ihn auch nicht!
Als der große Prophet Moses nach langer Suche und einem mühsamen und
sehr beschwerlichen Aufstieg auf einen Berg, angezogen von der Fackel
Gottes zum brennenden und dennoch nicht verbrennenden Dornenbusch
gelangte, bekam er den Befehl seine Schuhe auszuziehen, denn er betrat
heilige Erde. Er betrat den Boden der wahren Freiheit und der Verkündigung
von Freiheit, erleuchtet von der Glut der wunderbarsten Sehnsüchte. Er
betrat den Boden, in dem die Niederwerfung vor den einzigen Schöpfer die
Faszination und Liebe zu Ihm und seine Schöpfung aufleben ließ! Aber um
diese Liebe deutlich spüren zu können, musste er seine Schuhe ausziehen!
Nicht das, was die Schuhe gesehen hatten, nicht die Orte, an die jene
Schuhe uns schon getragen hatten, waren der Maßstab, sondern die Ehrfurcht
und Liebe zu Gott und Seiner Schöpfung! Nur wer die belastenden Schuhe der
Vergangenheit abstreift, kann reinen Herzens in die Zukunft sehen und
liebe Empfangen und weitergeben!
Wir müssen die Schuhe, die uns zu Sklaven einer uns aufgezwungen Rolle
machen wollen, abstreifen! Wir müssen ausbrechen aus dem Teufelskreis der
von Verbrechern detailliert durchdachten Inszenierung, denn das Drehbuch
hat kein gutes Ende, für keinen von uns! Wir müssen den uns vom Schöpfer
für eine Zeit anvertrauten Geist befragen, unseren Verstand mehr als je
zuvor anstrengen und die Phantasie bemühen, um Wege aus der Sackgasse zu
finden!
Blumen vor der Botschaft Englands, niedergelegt von Muslimen, sind ein
Symbol mit großem Wert. Distanzierungen, Verurteilungen, Demonstrationen
unterschiedlichster Art für Frieden und gegen Terror oder Besatzung von
allen Seiten sind hilfreich. Aber all das ist wie wir inzwischen sehen
nicht genug! Es hat in der muslimischen Welt genau so häufig
Demonstrationen gegen Terror gegeben, wie in der westlichen Welt gegen
Besatzung, auch wenn von beiden Ereignissen vergleichsweise wenig
berichtet wurde und beide Seiten einander wenig wahr nahmen.
Um den unaufhaltsam erscheinenden Fahrplan des Clash of Cultures zu
durchbrechen bedarf es einer inneren Revolution! Es bedarf einer
Revolution der bestehenden Kultur auf allen Seiten, aber vor allem in
unseren Herzen. Wir müssen unsere Herzen befreien von den automatischen
Hass, zu dem wir getrieben werden sollen. Wir müssen unsere Herzen davor
befreien, Hass gegen jene zu spüren, gegen die man uns aufhetzten will,
hüben wie drüben! Gehen wir aufeinander zu und reden wir miteinander, mehr
noch als zuvor!
Ziehen wir also unsere so belastenden Schuhe aus und schreiten Hand in
Hand als Barfüßige. Jesus lehrt auch die andere Wange hinzuhalten. Das
bedarf enormer Anstrengungen im Herzen! Mohammed lehrt sich nicht durch
die eigene widerspenstige Seele unterdrücken zu lassen. Das bedarf enormer
Anstrengungen im Herzen. Halten wir also die andere Wange hin und
entwaffnen wir dadurch diejenigen, die uns mit Waffen aufeinander jagen
wollen! Bekämpfen wir Hand in Hand diejenigen, die die Schwächen unserer
Seele ausbeuten wollen, um den Geist Gottes nicht in uns wirken zu lassen.
Der Islam lehrt: Blut ist mächtiger als das Schwert. Die Hassprediger
und bewussten wie unbewussten Diener des Clash haben daraus das Blut der
Feinde und das eigene Schwert gemacht. Aber es ist das eigene Blut, das
mächtiger ist, als jedes menschenverachtende gegnerische Schwert, jede
Bombe, jeder Terroranschlag, und das war auch die Lehre Jesu!
Wehrhaftigkeit spiegelt sich darin wieder, dass wir ertragen können,
aufrichtig, standhaft, aber ohne Hass, ohne Feindschaft, durchdrungen von
der Liebe zur Wahrheit und Wahrhaftigkeit. Das ist wahrer Widerstand gegen
Unterdrückung.
Die Bomben von Falludscha und London wollen uns gegeneinander jagen mit
den Stiefeln des Hasses. Die Bombenleger von London hassen alle Menschen.
Sie unterscheiden nicht zwischen West und Ost, zwischen Muslim und Christ
(statistisch ist jedes vierte Opfer in London ein Muslim). Sie wollen nur
Hass verbreiten!
Aber Liebe ist stärker als Hass, und wenn es Einzelnen von uns gelingt,
diese Liebe im eigenen Herzen wachsen zu lassen, können diese Einzelnen
ganze Armeen und ganze weltweit agierende Terror verbreitende
Organisationen überwinden und sogar besiegen.
Das Ziel des Clash of Cultures ist, dass Christen ihre wahrhaftige
Christlichkeit genau so verlieren, wie Muslime ihren Islam und alle
zusammen ihre ihnen angeborene menschliche Natur und damit Menschlichkeit.
Christen sollen im missbrauchten Namen des Kreuzes und Muslime im
missbrauchten Namen des Dschihads aufeinender losschlagen! Dabei lehrt das
Kreuz die Selbstaufopferung und der große Dschihad den Kampf gegen das
Böse im eigenen Herzen!
Lassen wir nicht zu, dass wir aufeinender gejagt werden und stellen wir
uns dem entgegen, barfuß aber mit Aufrichtigkeit, Wahrhaftigkeit und einer
unerschütterlichen Liebe.
(Dieser Text darf bei Angabe der Quelle frei vollständig wiedergegeben
werden)
Mit herzlichen Grüßen von
Ihrem Muslim-Markt-Team
Siehe auch:
Ich sah einen Engel im Monat Ramadan